Parlamentarischer Rat tritt zusammen

Der Parlamentarische Rat trat am 1. September 1948 in einem Festakt im Bonner Zoologischen Museum Koenig zusammen. Gewählt wurden die 65 Abgeordneten gemäß den Vorgaben der Frankfurter Dokumente durch die elf westdeutschen Landtage. Die beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD erzielten jeweils 27 Sitze, FDP fünf und Deutsche Partei, Zentrum sowie KPD jeweils zwei Sitze. Außerdem kamen fünf nicht stimmberechtigte Abgeordnete aus Berlin hinzu. Alle Mitglieder des Parlamentarischen Rates verband, dass sie dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden. Einige hatten das Dritte Reich in Konzentrationslagern oder im Exil überlebt. Diese negativen Erfahrungen prägten die Arbeit des Rates nachhaltig. Zahlreiche Abgeordnete verfügten über parlamentarische Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik; drei Abgeordnete waren sogar Mitglieder der Weimarer Nationalversammlung von 1919 gewesen.

Menschenwürde als unverrückbare Bestimmung

Der CDU-Politiker Konrad Adenauer wurde zum Präsidenten und Carlo Schmid (SPD) zum Vorsitzenden des bedeutenden Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates gewählt. Die Arbeit des Parlamentarischen Rates glich in vielen Belangen der eines Parlaments. Neben dem Präsidentenamt und dem koordinierenden Hauptausschuss existierten ein Ältestenrat und spezielle Fachausschüsse.

Grundsätzlich orientierte man sich am Grundgesetzentwurf des Herrenchiemseer Verfassungskonvents. Bereits bei den ersten Sitzungen herrschte Einigkeit, dass man aus den Fehlern von Weimar lernen wollte. Die Grundrechte sollten im Grundgesetz verankert werden und für die Staatsgewalt verbindlich sein, die Regierung sollte vom Vertrauen des Parlamentes abhängen, das Staatsoberhaupt (Bundespräsident) neutral sein und eine klare Gewaltenteilung mit einer unabhängigen Rechtssprechung errichtet werden sowie Elemente ins Grundgesetz aufgenommen werden, die dem Schutz der Demokratie dienen (wehrhafte Demokratie). Des Weiteren integrierte man das Wiedervereinigungsgebot.

Es wurden unverrückbare Bestimmungen ins Grundgesetz aufgenommen (Artikel 79: die Menschenwürde (Artikel 1) und das Demokratie-, Bundesstaats-, Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20). Anfang Dezember waren wesentliche Umrisse des Grundgesetzes sichtbar. Die Verteilung von Steuern zwischen Bund und Ländern oder die Hauptstadtfrage (Bonn oder Frankfurt am Main) wie auch die Ausgestaltung der Länderkammer (heutiger Bundesrat) bildeten Hauptstreitpunkte bei den Beratungen. Erfolgreicher Mittler bei diesen und anderen Meinungsverschiedenheiten im Parlamentarischen Rat war Theodor Heuss.

8. Mai 1949: Parlamentarischer Rat beschließt Grundgesetz

In der Bevölkerung stieß die Arbeit des Parlamentarischen Rates auf wenig Interesse, noch immer bestimmten existentielle Fragen das tägliche Leben. Die Westalliierten, aber auch Parteien, Gewerkschaften und Kirchen verfolgten das Wirken dagegen mit großer Beachtung und versuchten immer wieder Einfluss zu nehmen. Gerade die Militärgouverneure nutzten ihren Einfluss und verwiesen mehrfach mahnend auf die Frankfurter Dokumente.

Am vierten Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, dem 8. Mai 1949, wurde das Grundgesetz im Plenum des Parlamentarischen Rates mit großer Mehrheit (53 gegen 12 Stimmen) beschlossen. Anschließend genehmigten am 12. Mai 1949 die westalliierten Militärgouverneure trotz einiger Vorbehalte das Verfassungswerk. Da sich die Ministerpräsidenten gegen eine Volksabstimmung entschlossen hatten, mussten die Landtage vom 18. bis 21. Mai 1949 das Grundgesetz ratifizieren. Alle westdeutschen Landtage stimmten dem Grundgesetz zu. Einzig der bayerische Landtag versagte die Zustimmung, weil das Grundgesetz Bayern zu zentralistisch war, allerdings erkannte Bayern ausdrücklich das Grundgesetz an.

"Heute, am 23. Mai 1949, beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes: Heute wird nach der Unterzeichnung und Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten. Wir sind uns alle klar darüber, was das bedeutet. (...) dass heute, mit dem Ablauf dieses Tages, das neue Deutschland entsteht."

(Konrad Adenauer bei der Unterzeichnung des Grundgesetzes)