Wie wird gewählt?

Ein einheitliches Wahlgesetz auf EU-Ebene besteht nicht. Die Abgeordneten werden daher in den 27 Mitgliedstaaten nach verschiedenen nationalen Verfahren gewählt. Als Wahlsystem ist in allen Ländern das Verhältniswahlrecht festgelegt. Im Gegensatz zu Bundes- und Landtagswahlen gibt es dabei in Deutschland keine Wahlkreise mit Direktkandidaten, jede antretende Partei stellt stattdessen eine nationale Liste zusammen. Üblicherweise werden im Nachgang der Wahl die Zuständigkeiten unter den Abgeordneten innerhalb der Parteien so aufgeteilt, dass alle Regionen Deutschlands von mindestens einem Abgeordneten repräsentiert werden, dies handhaben die einzelnen Parteien jedoch unterschiedlich. 

Von 2014 bis 2019 ernannten die europäischen Parteienfamilien zudem Spitzenkandidaten für die Wahl, welche, ähnlich wie in Deutschland um die Kanzlerschaft, um das höchste Exekutivamt der EU konkurrieren. Das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission soll in der Folge von dem Spitzenkandidaten besetzt werden, welcher die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich versammeln kann. Zwar sehen die Europäischen Verträge vor, dass der Europäische Rat (Gipfel der Staats- und Regierungschefs) den Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten ernennt, gewählt werden muss dieser jedoch mit einer Mehrheit im Europäischen Parlament. Obwohl die Abgeordneten sich interfraktionell darauf geeinigt hatten, nur einen der Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten zu aktzeptieren, wurde schließlich Ursula von der Leyen (CDU/EVP) mit einer knappen Mehrheit zur neuen Kommissionspräsidentin gewählt. Daher treten 2024 nur einige Parteienfamilien erneut mit Spitzenkandidaten an, andere erklären das Prinzip als gescheitert.

Vertreter des Volkes werden in repräsentativen Demokratien in Wahlen bestimmt, jedoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die Bevölkerung ihre Vertreter auswählt.

Mehrheitswahlrecht: In Systemen mit reinem Mehrheitswahlrecht, wie beispielsweise Großbritannien, gibt es keine Wahllisten und keine Zweitstimme. Die Sitze im Parlament werden allein danach verteilt, welche Direktkandidaten welche Wahlkreise gewinnen. Dabei gilt das „Winner-takes-it-all-Prinzip“, wonach der Kandidat mit der Mehrheit der Stimmen in das Parlament einzieht und alle anderen Stimmen wegfallen. Dies kann zu starken Verzerrungen in Bezug auf abgegebene Stimmen und den Kräfteverhältnissen im Parlament führen, die in der Regel die größte Partei bevorteilen. So gewann beispielsweise bei der Parlamentswahl in Großbritannien im Jahr 2017 die konservative Tory-Partei 49% der Sitze, obwohl sie nur etwa 42% aller abgegebenen Stimmen erringen konnte. Die sozialdemokratische Labour-Partei kam auf 40% der Stimmen, konnte aber "nur" 40% der Mandate erringen. Gleichzeitig gibt es in Systemen mit Mehrheitswahlrecht eine klarere Zuordnung der Abgeordneten zu ihren Wahlkreisen.

Verhältniswahlrecht: Bei einer reinen Verhätniswahl existieren keine Direktkandidaten, sondern allein Listen, welche vorher durch die Mitglieder oder auf Delegiertenkonferenzen der Parteien nach Prinzipien der innerparteilichen Demokratie verabschiedet wurden. Ein Beispiel für eine reine Verhältniswahl wäre die Wahl zum Europäischen Parlament. In diesem System existieren keine Wahlkreise, wenn die Parteien diese nicht informell im Nachhinein in Form von „Zuständigkeiten“ auf die Abgeordneten verteilen. Es entsteht also eine geringere Bindung zwischen Wahlkreis und Abgeordneten, dafür gehen jedoch keine Stimmen „verloren“. Jede einzelne abgegebene Stimme trägt proportional zum Kräfteverhältnis der Parteien im Parlament bei, wodurch die Fraktionsgrößen exakt dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger entsprechen.

Die Sperrklausel für kleine Parteien darf bei den Europawahlen bei maximal fünf Prozent liegen. Auch hier ist die Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen. Seit 2014 gilt in Deutschland für die Europawahlen keine Sperrklausel mehr. Anders als beispielsweise bei der Bundestagswahl sind damit auch Parteien, die weniger als 5 Prozent der Stimmen erhalten haben, im Europaparlament vertreten, sofern sie mindestens einen Sitz erringen können. 

Die rechtliche Grundlage für die Wahl zum Europäischen Parlament bildet in der Bundesrepublik Deutschland das Europawahlgesetz (EuWG), welches die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl der Kandidaten zum Europäischen Parlament vorsieht. Diese Vorgaben beziehen sich allerdings nur auf die Europawahlen innerhalb der Mitgliedstaaten. Die Europawahlen insgesamt, also in allen Mitgliedsstaaten, sind keine gleichen Wahlen, weil – wie oben erläutert – nicht jeder Abgeordnete die vergleichbar selbe Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern vertritt. Das Europawahlgesetz (EuWG) und die Europawahlordnung (EuWO) regelt die ordnungsgemäße Durchführung der Europawahl.

Allgemein: Alle Bürgerinnen und Bürger sind zur Wahl zugelassen, sofern ihnen das Wahlrecht nicht entzogen wurde. Berufsstand, Steuerlast oder andere Eigenschaften spielen keine Rolle.

Unmittelbar: Abgeordnete werden direkt gewählt. Die abgegebenen Stimmen werden also direkt in Sitze für den gewählten Kandidaten oder die gewählte Liste umgerechnet, es gibt keine zwischengeschalteten Wahlmänner oder Wahlkollegien, welche die abgegebene Stimme nur als Auftrag in ihre eigene Wahlentscheidung einbringen. 

Frei: Bürgerinnen und Bürger dürfen in ihrer Entscheidung nicht dadurch beeinflusst werden, dass ihnen aus ihrer Wahlentscheidung Vor- oder Nachteile entstehen. Bereits der Versuch, Vorteile für eine Wahlentscheidung zu gewähren oder einzufordern, oder eine Wahlentscheidung per Nötigung zu erreichen, ist strafbar (§ 108 StGB).

Geheim: Der Wahlakt passiert im Geheimen, gerade auch um die Freiheit der Wahl zu gewährleisten. Eine nachträgliche Zurechnung zu Personen ist nicht möglich, ebenso ist das Fotografieren der Wahlzettel in der Kabine nicht erlaubt. Bei Briefwahl ist auf das Prinzip der geheimen Wahl besonders zu achten.

Gleich: Die Stimmen aller Wählerinnen und Wähler sind gleich viel Wert. Niemandes Stimme wird höher gewichtet. Es findet keine Unterscheidung in Berufsstand, Steuerlast oder andere Eigenschaften statt.

Wer darf wählen?

Wahlberechtigt sind in der Bundesrepublik Deutschland alle deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und hier wohnhafte Bürgerinnen und Bürger aus EU-Mitgliedsstaaten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die Wählerinnen und Wähler müssen zudem seit mindestens drei Monaten in der Bundesrepublik oder in den übrigen Mitgliedstaaten der EU wohnen. Sie dürfen ferner nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sein und müssen im Wählerverzeichnis ihrer Gemeinde eingetragen sein. Die in anderen EU-Mitgliedsstaaten lebenden deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger müssen sich entscheiden, ob sie in Deutschland oder in ihrem Wohnortland von ihrem aktiven Wahlrecht Gebrauch machen wollen. Bei der Anwendung dieses Prinzips besteht derzeit immer noch eine Lücke: So ist es zwar strafbar, seine Stimme doppelt einzureichen, jedoch ist es aufgrund des fehlenden Abgleichs zwischen den Wahllisten der Mitgliedstaaten derzeit nicht zu verhindern, dass EU-Bürgerinnen und Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft zweier EU-Nationen zweifach abstimmen können. Deutsche, die 25 Jahre ununterbrochen außerhalb des Gebietes von EU und Europarat wohnen, verlieren ihr Recht zur Wahl des Europäischen Parlaments.

Anders als beim aktiven Wahlrecht ("wer darf wählen?") bleibt das Alter beim passiven Wahlrecht ("wer darf für das Parlament kandidieren?") weiterhin unverändert. Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten, die zum Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, können in der Bundesrepublik für einen Sitz im Europäischen Parlament kandidieren. Das aktive und passive Wahlrecht kann von den Unionsbürgern jeweils nur in einem EU-Mitgliedstaat ausgeübt werden. Gewählt wird in Wahllokalen der Wahlbezirke oder per Briefwahl und in Deutschland nach dem System der Verhältniswahl. Im Unterschied zur Bundestagswahl verfügen Wählerinnen und Wähler nur über eine Stimme, mit der er die Landes- bzw. Bundesliste der jeweiligen Partei oder Vereinigung wählt. 

Die gewählten Abgeordneten der verschiedenen nationalen Wahllisten schließen sich im Europäischen Parlament zu Fraktionen zusammen. Die Bildung der Fraktionen erfolgt nach den jeweiligen politischen Schwerpunkten, die Fraktionen sind international zusammengesetzt. Für die Bildung einer Fraktion müssen sich mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten zusammenschließen. 

Parteien
 
Europa 2019
(Bundestag 2017)
Europa 2014
(Bundestag 2013)
Europa 2009
(Bundestag 2005)
Europa 2004
(Bundestag 2002)
Europa 1999
(Bundestag 1998)
CDU/CSU
 
28,9%
(32,9%)
35,3%
(41,5%)
37,9%
(35,2%)
44,5%
(38,5%)
48,7%
(35,1 %)
SPD15,8%
(20,5%)
27,3%
(25,7%)
20,8%
(34,2%)
21,5%
(38,5%)
30,7%
(40,9%)
GRÜNE20,5%
(8,9%)
10,7%
(8,4%)
12,1%
(8,1%)
11,9%
(8,6%)
6,4%
(6,7%)
LINKE/PDS5,5%
(9,2%)
7,4%
(8,6%)
7,5%
(8,7%)
6,1%
(4,0%)
5,8%
(5,1%)
FDP5,4%
(10,7%)
3,4%
(4,8%)
11,0%
(9,8%)
6,1%
(7,4%)
3,0%
(6,2%)
AfD11,0%
(12,6%)
7,1 %
(4,7 %)
   
Wahlbeteiligung61,4%47,9 %43,3 %43,0 %45,2 %
FraktionKürzelSitze
Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten)EVP178 (25%)
Progressive Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen ParlamentS&D141 (20%)
Renew Europe (Liberale, ehemals ALDE)Renew101 (14%)

Die Grünen/Europäische Freie Allianz

Grüne/EFA71 (10%)
Europäische Konservative und ReformistenEKR67 (10%)

Identität und Demokratie

ID58 (8%)
Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne LinkeGUE-NGL38 (5%)
Fraktionslose 51 (7%)
Gesamt 705